Wer waren die Guanchen? Und woher kamen sie?

Guanchen nennt man heute alle kanarischen Ureinwohner, da sie einer gemeinsamen Sprach-  und Kulturgemeinschaft angehörten. Ursprünglich kommt das Wort von Guan= Mensch und Chinet = Teneriffa, und bezeichnete erst nur die Bewohner Teneriffas.

 

Bei der Eroberung trafen die Spanier auf zwei verschiedene Menschenrassen von durchschnittlich mittlerer Größe. Zum einen den Cromagnontypus, eher stämmig mit breitem, grobem Gesicht. Zum anderen den mediterranen Typus, von feinerer Statur mit schmalerem Gesicht.

 

Sicherlich gab es mehrere Besiedlungsschübe. Angenommen wird, dass die ersten Menschen ab etwa 3000 v. Chr. von Nordosten auf die Kanaren einwanderten und von Wüstenbewohnern der Sahara abstammten. Außerdem weisen archäologische Ausgrabungen auf eine Besiedlung aus Südwesteuropa hin. Dafür spricht die Hellhäutigkeit der Altkanarier.

Wahrscheinlich hatten die Phönizier hier eine wichtige Schlüsselfunktion. Als Bindeglied zwischen den Kulturen waren sie schon vor 2500 Jahren auf Handelsseewegen unterwegs und kannten auch die Kanarischen Inseln.

 

Die Chronisten der Eroberer berichten von Steinzeitmenschen mit ausgeprägter Kultur, Religion und Ethik. Sie widersetzten sich den Eroberern hartnäckig, wurden dann Arbeitssklaven der ersten spanischen Siedler und mischten sich mit der Zeit mit den Eroberern.

 

Hier versuche ich unter alphabetischen Stichworten einen kleinen Einblick in die Welt der Guanchen zu geben.

Abora  

Acero

Adel

Benahoare

Drachenbaum

Drachenblut  

Eroberung

Euphorbien

Felsgravuren ( Petroglyphen )

Feste

Gebrauchsgegenstände

Gesellschaftliche Struktur

Gesetze

Glückliche Inseln

Guanche, die Sprache

Heilkunst 

Keramik

Kleidung

Nahrung

Pyramide

Religion

Schmuck

Tagoror

Tamarco

Tanausu

Tod

Waffen

Wohnen

 

Abora ist die höchste Gottheit in der Mythologie der palmerischen Ureinwohner.

 

Acero war der Name für die Caldera und bedeutete starker, unverwundbarer Ort.

 

Adel war kein Geburtsrecht, sondern musste durch vorbildliches Handeln erworben werden. So waren folgende Tugenden dafür Voraussetzung: Ein Adliger durfte nicht gestohlen oder getötet haben ( außer im Kampf ). Er durfte nicht gelogen oder sich unschicklich gegenüber Frauen verhalten haben, durfte nicht eigenhändig Tiere geschlachtet haben. Als Kennzeichen wurde dem Adligen das Haupthaar zum Pagenkopf geschnitten.

 

Benahoare heißt in der Guanchensprache „meine Heimat“ und war vor der Eroberung der Name für La Palma.

 

Der Drachenbaum ist eigentlich kein Baum, sondern ein Liliengewächs aus der Urzeit. Er blüht nur alle 15 Jahre und kann bis zu 20 m hoch werden. Auf La Palma wachsen noch ganze Haine dieser ansonsten ausgestorbenen Pflanzenart. Manche Exemplare sind mehrere hundert Jahre alt.  

 

Drachenblut nennt man Drachenbaumharz. Es ist zunächst farblos, wird aber beim Trocknen an der Luft zu einer blutroten klebrigen Masse. Die Ureinwohner benutzten es zur Heilung von Knochenbrüchen und Verletzungen, aber auch zur Mumifizierung ihrer Toten.  

 

Eroberung

Im September 1492 legte Alonso de Lugo in Tazacorte an. Acht Monate leisteten die Guanchen Widerstand. Erst im Mai 1493 kam La Palma definitiv unter spanische Krone.

 

Euphorbien gehören zur Familie der Wolfsmilchgewächse. Mit dem weißen, giftigen Saft der Pflanze betäubten die Guanchen die Fische beim Fischfang.  

 

Felsbilder- und gravuren ( auch Petroglyphen genannt. ) sind die älteste Kunstschöpfung des Menschen und reichen bis zu 40.000 Jahre zurück. Damit sind sie ein wichtiges Dokument zur kulturellen Entwicklung der Menschheit vor Entstehung der Schrift. Bei den Guanchen finden wir viele dieser mit Basalt- oder Obsidianklingen in den Stein geritzten Zeichnungen, die meisten auf La Palma, El Hierro und Gran Canaria. Das Guanchenwort dafür war „Tara“ und bedeutete „Zeichen, Erinnnerung“. Tara ist aber gleichzeitig auch der Name der großen Urmutter. Folglich sind alle Felsbilder der Kanarischen Inseln Erinnerungszeichen religiösen Ursprungs.

Viele Zeichen auf La Palma erinnern an Gravuren der Megalithkultur der bretonischen Küste, Südenglands, Irlands und Nordspanien. Andere wiederum lassen auf eine Verbindung mit Südamerika schließen. Besondere Bedeutung haben boots- und schiffsförmige Petroglyphen, denn nur auf dem Seeweg konnte die Kommunikation zwischen den Inseln stattfinden. Außerdem mussten die Einwanderer irgendwann mit Schiffen gekommen sein.

 

Feste: Wettkämpfe gehörten bei den Guanchen zu jedem wichtigen Fest dazu. Dazu gehörte Springen, Laufen, Steinheben, Stockfechten und Ringkämpfe. Ausserdem liebten sie Tanz und Gesang. Beim Tanz standen sich zwei Reihen Tänzer und Tänzerinnen gegenüber, die sich in teilweise schwierigen Sprung- und Stampfschritten auffordernd oder ablehnend einander näherten und entfernten. Ihre Lieder waren leidenschaftlich und verliebt oder traurig und schmerzlich.

 

Gebrauchsgegenstände: Unter den Hausgeräten befanden sich Tongefäße, Steinmühlen, Holzgefäße, Kämme aus Holz, Ziegenbälge, Lederbeutel zum Transport, Binsensäcke, Steinmesser aus Obsidian, Nadeln aus Kräten und Knochen zum Vernähen der Felle. Die Hirten benutzten sehr lange, gut polierte Lanzen, um über Klippen und Schluchten zu springen.

 

Gesellschaftliche Struktur

Zur Zeit der Eroberung existierten auf den sieben kanarischen Inseln insgesamt 31 Königreiche. Jedem König ( Mencey ) standen Stellvertreter und Ratgeber zur Seite. Solche Ratgeber waren zum Beispiel der Hohe Priester ( Faycán ) oder Frauen aus der Schicht der Harimaguadas ( hochangesehene Priesterinnen, die zurückgezogen in den Bergen lebten. )

Es gab drei verschiedene Gesellschaftsschichten:

1.  Rang gleich nach dem König

2.  der Adel

3.  der Bürger

 

Die Gesetze unterschieden sich auf jeder Insel. Auf einigen Inseln gab es bei schweren Vergehen die Todesstrafe, auf anderen nicht. Auf El Hierro zum Beispiel wurde einem Dieb beim ersten Diebstahl ein Auge entfernt, beim zweiten Diebstahl das zweite Auge. Auf La Palma dagegen wurde Diebstahl sogar als Kunst angesehen und gar nicht bestraft, nur hatte der Täter damit die Möglichkeit verspielt, geadelt zu werden.

 

Glückliche Inseln hat der römische Historiker Plinius der Ältere ( 23 – 79 ) die kanarischen Inseln getauft.

 

Das Guanche ist die ausgestorbene Sprache der Guanchen. Die Sprache aller Guanchen jeder Kanareninsel ist gleichen Ursprungs, es hat jedoch einige mundartliche Unterschiede gegeben. Über die Herkunft der Sprache gibt es viele Theorien, doch keine ist gesichert. So finden sich zum Beispiel einzelne Wortparallelen zur nordafrikanischen Berbersprache. Elemente des Guanche haben sich bis heute im Kanarischen Dialekt gehalten.

 

Heilkunst. Die medizinische Versorgung unterlag fast ausschließlich den weisen Heilfrauen. Ihnen waren eine Vielzahl von Heilkräutern bekannt, die noch heute in der kanarischen Volksmedizin eine große Rolle spielen. Wie in Peru und Ägypten war ihnen auch die Kunst des Schädelanbohrens ( Trepanation ) bekannt. Sie wurde zur Heilung von Tumoren, Epilepsie, Geisteskrankheiten, Kopfschmerzen und anderen Krankheiten angewandt. Schädelfunde auf Gran Canaria deuten von gut geheilten Wunden und davon, dass der Eingriff überlebt wurde.

Der Gesundheitszustand der Altkanarier war im allgemeinen gut, abgesehen von Gicht und Rheuma, verursacht durch das Wohnen in den im Winter oft feuchten Höhlen.

Die Guanchen hatten eine hohe Lebenserwartung, was vermutlich an der ausgewogenen Ernährung lag, die Entsprechungen zur Vollwertkost hat.

 

Keramik. Da man damals keine Töpferscheibe kannte, wurden die Gefäße handgeformt und dann im Erdofen gebrannt. Die Größen, Formen und Verzierungen waren von Insel zu Insel verschieden, gemeinsam aber war die ästhetische Anmut und Ausgewogenheit. Auf La Gomera und La Palma hat die Keramik der Ureinwohner bis heute überlebt.

 

Die Kleidung bestand aus wildlederartig gegerbten Ziegen- und Schaffellen und manchmal aus gewebten Binsen- und Palmblättern.

 

Nahrung: Fleisch, Milch, Käse, Butter, Fisch und Meeresfrüchte. Gerste, Weizen, Farnwurzeln und Bohnen wurden in Tongefäßen geröstet und dann in Steinmühlen gemahlen. Dieses Mehl nannten sie Gofio ( wird heute noch hergestellt, doch nur aus Getreide ). Außerdem gab es Honig, Pilze, Kräuter, Wurzeln, Beeren, Datteln und Feigen.

 

Pyramiden. 1991 sorgte der spektakuläre Fund eines Pyramidenkomplexes auf Teneriffa für Aufregung. Die Pyramiden liegen in einem Gelände, das von den Bewohnern noch immer Valle sagrado ( heiliges Tal ) genannt wird. Hier lag einst das Zentrum eines bedeutenden Guanchen-Stammes, dessen Könige hier gekrönt wurden. Überlieferungen zufolge spielten Steinpyramiden bei der Krönungsfeier eine wichtige kultische Rolle. Auch auf La Palma werden solche Pyramiden vermutet. Der letzte Guanchen-Hochkönig Atogmatoma vom Stamme Hiscaguan ( Garafia ) soll der Legende nach auf einer großen Pyramide gekrönt worden sein.

 

Religion: Die Guanchen verehrten eine einzige Gottheit, die dualistisch ein gutes und ein böses Prinzip repräsentierte. Die gute Kraft wurde stellvertretend in der Urmutter ( Tara bzw. Moneiba ) und im Urvater ( Eraorahan bzw. Orahan ) verehrt. Die Urmutter wurde in Höhlen und an Quellen angebetet. Dem Urvater wurden Berggipfel, große phallische Steine und der Himmel zugewiesen. Den Guanchen auf La Palma war der Fels Idafe im Zentrum der Caldera heilig. Der mächtige Monolith stellte für sie die Himmelsäule dar und sie lebten in ständiger Furcht, er könnte eines Tages umstürzen, denn das bedeutete großes Unglück, wenn nicht sogar den Weltuntergang. Um Idafe milde zu stimmen wurden  Milch, Butter und Eingeweide von Tieren symbolisch an ihn verfüttert. Indem die Geister der Ahnen in Gestalt der Seelenvögel ( Adler, Raben, Krähen und Falken ) die Gaben verspeisten, wurde das Opfer angenommen.

Gegenüber dem guten Prinzip gab es das böse Prinzip, einen hundegestaltigen Dämon ( Guayote oder Iruene), der im Vulkaninneren wohnte. Doch so wie die Urmutter, die das helle Prinzip repräsentierte, Beziehungen zur Unterwelt aufwies, war auch das dunkle Prinzip nicht nur schlecht und diente in den Legenden den Menschen oft als Warner und Helfer.

 

Schmuck: Ketten aus Tonperlen, Muscheln, durchbohrten Steinen und Knochen, Stirnbänder. Ins Haar flochten sie Binsen anstatt Schleifen und ließen es über die Schultern fallen. Die Stammesführer trugen Muschelketten und Federhauben. Rituelle Bemalung der Haut war üblich. Man fand große Mengen von Farbstempeln aus Ton ( Pintaderas ), mit denen Muster auf Stoffe und auf die Haut gestempelt wurden.

 

Tagoror:  im Kreis angeordnete Sitzsteine oberhalb des Dorfes. Versammlungsplatz des Königs und seiner Berater, Ort der Rechtsprechung.

 

Tamarco: Kleidung der Erwachsenen aus sauber verarbeiteten Ziegen- und Schaffellen, die vom Kopf bis zu den Füßen reichten. Die Frauen trugen noch einen Fellrock darunter, denn es war unschicklich Busen und Beine zur Schau zu stellen.

 

Tanausu war einer der Guanchenkönige auf La Palma. Von allen Stammesführern dort, leistete er am längsten gegen die Eroberer Widerstand. Seine Leute lebten in der Caldera, die damals Acero hieß. Das bedeutet starker, unverwundbarer Ort. Doch machte Tanausu einen großen Fehler und ließ sich außerhalb der geschützten Caldera in einen Hinterhalt locken. Auf dem Schiff, das ihn als Beweis für die Eroberung nach Spanien bringen sollte, hatte er nur noch einen Wunsch: Vacaguare. Ich will sterben. Der tapfere König verweigerte das Essen und starb noch während der Überfahrt.

 

Tiere: Die Guanchen züchteten Schafe, Ziegen, Schweine und Hunde. 

 

Der Tod war für die Guanchen etwas Natürliches. So war es üblich bei drohender Niederlage im Kampf lieber von den Klippen zu springen, als sich dem Feind zu ergeben. Sehr alte Menschen zogen sich mit dem Wort „Vacaguare!“ ( „ich will sterben!“ ) allein in eine abgelegene Höhle zurück, die später vermauert wurde. Neben den Höhlengräbern wurden Tote, einzeln oder zu mehreren, auch in ausgehobene Gruben gelegt, die mit locker aufgeschichteten Steinen hügelartig abgedeckt wurden. Auf Teneriffa wurden riesige Höhlenfriedhöfe mit bis zu tausend Leichnamen in aufrecht fixierter Position gefunden. Viele waren auf Planken aus Drachenbaum geschnallt. Erstaunlicherweise wurden bei den Guanchen auch Mumien gefunden. Hier handelte es sich vermutlich um sozial höherstehende Personen. Grabbeigaben deuten darauf hin, dass die Ureinwohner an ein Weiterleben nach dem Tode glaubten. Über die Mumifizierungen berichten die Chronisten, dass die Toten erst sorgfältig präpariert und dann in bis zu fünfzehn Schichten Ziegenleder eingehüllt wurden, die mit Drachenbaumharz verklebt wurden. Außerdem glaubten die Guanchen, dass Drachenbaumharz unsterblich mache. Auffallend ist, dass bei allen Begräbnissen immer der Kopf nach Norden und die Füße nach Süden ausgerichtet waren.

 

Als Waffen dienten hölzerne Lanzen mit im Feuer gehärteter Spitze, Holzkeulen mit gebogener Spitze, Schleuderhölzer, in Leder gehüllte Wurfsteine, scharf schneidende Steine als Messer im Nahkampf. Die Guanchen galten als schnelle Läufer, gute Kletterer und ausgezeichnete Ringer. Ihr Mut und ihre Geschicklichkeit lehrte die spanischen Eroberer das Fürchten. Nicht nur die Männer zogen in den Kampf, sondern auch die Frauen. Ihre Kriegstechnik wird mit der der Indianer, Kelten und Germanen verglichen. 

 

Wohnen

Auf den Kanarischen Inseln sind durch vulkanische Gasblasen zehntausende von Höhlen entstanden. Sie dienten den Guanchen als erste Wohnstätten. Später kamen tief in den Boden gegrabene Rundhäuser mit mörtellosen Steinmauern dazu. Abgedeckt wurden sie mit Holzstämmen, Laub und Felldecken. Halb in der Erde lagen diese Häuser und boten im Innern zu jeder Jahreszeit eine ausgeglichene Temperatur

 

Literatur:

Harald Braem, Die Geheimnisse der Pyramiden

José Luis Concepción, Die Guanchen - Ihr Überleben und ihre Nachkommen

 

Mehr über NANITO finden Sie hier